Im Pott

 

Fabrik Schornstein Rauch

Im Pott

Ich fahre durch Schnee
ins Ruhrgebiet ein.
Mein Rücken tut weh

Schrebergärten, Förderturm und Feld,
Lagerhallen, dazwischen Kohlenberge,
vertraut ist mir diese Welt.

Doch meine müden Augen sehen
nun viel Andres
hinter dem Vertrauten stehen.

Wie viele Völker schmolzen hier zusammen?
Wie viele Juden hofften hier auf neuen Ort?
Wie viel Neues wurde hier geboren?
Wie viel Hoffnung wehte fort?

Welches Leid war wirklich unser Boden?
Wie viel Schweigen deckte welche Wunden zu?
In welche Schuld sind wir  verstrickt?
Wann finden die Gespenster Ruh?

Wie viele wurden hier verrückt?

 

„Im Pott“ bedeutet, sich diese Gegend als Behälter sozusagen für die vorhandene Steinkohle zu vorzustellen. Daher heißt es auch „Kohlenpott“.  Das  bei uns oft benutzte Wort „PÜTT“ für Zeche, Bergwerk, ist daraus ebenfalls abgeleitet. Gleichzeitig ist das Ruhrgebiet auch ein großer Schmelztiegel (Pott) für die verschiedensten Menschen und Völker. Hier hat viel Integration und auch Ausgrenzung stattgefunden. Wenn ich an die deportierten Juden denke, die hier in Essen eine stattliche Gemeinde hatten, wie man an der großen, wunderschönen Synagoge  und dem davorliegenden Viertel, das es nicht mehr gibt, sehen kann, werde ich sehr traurig.

Auch viele sogenannte „Gastarbeiter“ hatten es nicht leicht und wurden diskriminiert. Aber Vieles an Integration ist, wie gesagt, auch geglückt und es ist ein ganz „eigenartiges“, liebenswertes Völkchen entstanden, finde ich. Geradlinig und warmherzig, irgenwie „lecker“, wie die typischen Eintöpfe, die man im Pott sehr gerne aß.

 

 

 

Industriekultur – Tagebrüche und Erdlöcher

Gemütlich sitzen wir im Garten –
auf unterhöhlter Erde –
ausgegraben, ausgebeutet.
Unter uns faulen die mühsam gesetzten Holzstempel,
die die Sohlen vorm Zusammenbruch schützten,
stützten –
Wenn sie einbrechen,
fahren wir auch wieder ein
in die Erde
Jeder wünscht sich,
dass das nie geschehen werde.

 

Heimatland Ruhrpott

Der Boden wie Glas
In Gängen Stempel
die faulen, knicken, brechen

 

 

 

 

Wann beginnt die Stadt zu grünen?

Wenn ein Mensch sich aus dem Fenster neigt,
zwischen den Häusern jemand Mozart geigt,
an Betonmauern Efeu sich verzweigt.

Wenn am Straßenrand Blumen blühen
und auf Inseln im Stein Gemüse wächst,
um traurige Kinder sich Menschen bemühen.

Wenn in der Synagoge ein Lächeln mich erwartet,
die Tür geht auf in einem Schwesternhaus,
und niemand gilt mehr als entartet.

Wenn die raue Träne warm auf jemand weint
und ein Feind ist nicht mehr Feind,
wenn kleine Hunde fröhlich ohne Leine springen
und ich hör die Amsel wieder singen –

Dann verwandelt sich stählernes Himmelsgrau
ganz langsam in sanftes Taubenblau

 

Für mich hat eine Stadt zu grünen begonnen,
die grau, ja schwarz mir war –
Ein Stückchen Angst und Bitterkeit ist zerronnen,
ein klein wenig war die Stadt für mich da –

Trotzdem spür ich noch immer die Gefahr

 

 

Schmerz Schwelle

Ratlos,
hilflos, aber auch
schmerzlich berührt,
stehe ich auf der Schwelle
meines Kindheitshauses.
Am Rand der Wiese,
die endlich hier grünt,
wo vorher nur schwarzer, festgestampfter
Lehmboden war im Hof,
wo mein Hausflur war,
ist noch diese Schwelle und
drei Kellerlöcher.
Nur von diesem Haus,
als Einzigem von vielen,
die hier standen, gibt es diese
Relikte.
Eine Schwelle aus Schmerz,
versteinerter Schmerz.
Zugeschüttete Kellerlöcher.
Was ist in diesem Keller
immer noch begraben?

Ansichtskarte / Postkarte Essen im Ruhrgebiet, Beustraße | akpool.de

 

 

Wie lange ist es bis in Ewigkeit?

Neue Ruhrkultur
gegründet auf
potentiellen Seen

abhängig von Pumpen,die
bis in alle Ewigkeit
Grubenwasser nach oben pumpen.

Grundwasser abpumpen
aus extrem abgesenktem Land.

Vergiftetes Grundwasser reinigen.
Bergschäden an Gebäuden, Grundstücken, Straßen
„beheben“.

Ja! Wieder mal Weltmeister geworden!
Weltmeister im Verdrängen

Wer zeichnet verantwortlich?

Bis in alle Ewigkeit – Ja, so ist es!

 

Schaut gerne das eindrückliche vier Minuten Video an.

https://www.youtube.com/watch?v=dhnnGzFhj0Q

Ich bin zurück aus dem Ruhrpott, von Verwandtenbesuchen, und wie immer beeindruckt und bewegt. Es triggert alte Erfahrungen, doch es ist auch sehr merkwürdig, zu wissen, wie absurd die Existenz des Ruhrgebietes in dieser Form und Gestalt ist, mit seinen neuen Aufbrüchen und Strukturwandlungen, die es notgedrungen ja braucht, nach dem Sterben des Steinkohleabbaus im Pott.

Schon als Kind erschien mir dieser Abbau unfassbar und grausam, besonders, wenn ich meinen Vater beobachtete, und die vielen Unfälle, die er hatte, die vielen Beerdigungen zu denen er in schmucker Knappenuniform aufbrach. Auch wenn ich mir die Erde vorstellte, in die man tief hineingrub und einfahren konnte …

Die Schäden, die nun vorhanden sind, würden eigentlich bewirken, dass das gesamte Ruhrgebiet eine schöne, aber vergiftete Seenplatte würde oder längst schon wäre. Bis in Ewigkeit muss abgepumpt und ausgebessert werden, damit man „oben drauf“ überhaupt leben kann. Das ist wohl notwendig, denn es leben mehr als fünf Millionen Menschen hier und das wird sich so schnell nicht ändern. Aber wie lange geht das? Hundert, tausend Jahre? Und dann? Alles verändert sich .. ja, ja, aber es ist auch viel Schuld und Habgier dabei gewesen und ist es noch … irgendwer verdient immer daran und macht „den großen Reibach“. Ist doch so …

Und was ist, wenn die Pumpen ausfallen?

 

Auch die Seite vom BUND über die Steinkohle Ewigkeitslasten ist sehr aufschlussreich und nicht zu lang

https://www.bund-nrw.de/themen/klima-energie/im-fokus/steinkohle-ewigkeitslasten/

 

Wenn Ihr etwas vom „Kinderleben“ Im Ruhrpott lesen wollt, könnt Ihr gerne noch mal den Beitrag „Sie schicken mich in die Welt“ anschauen. Falls das Passwort vergessen wurde, fragt gerne nach, das geht auch über die Kontaktfunktion auf dieser Seite.

https://petras-lyrik-blog.de/sie-schicken-mich-in-die-welt/