Gedichte zu Märchen

 

Ich hatte zu Hause als Kind nur ein Buch: Das Grimmsche Märchenbuch, mit bunten, schönen Bildern. In diesem Buch habe ich von selbst lesen gelernt, anhand der Bilder und Überschriften. Ich liebte die Märchen und erzählte sie auswendig jedem, der sie hören wollte. Natürlich bekam ich sie auch gerne erzählt.

Die Faszination der Märchen blieb immer bestehen.Sie lösen verborgene Gefühle aus ihrer Verkrustung, spiegeln Empfindungen wider, auch grausame, bieten meistens eine gute Lösung an, jedenfalls den Sieg des Guten.

Ich kann mit einem Märchen einen inneren Weg gehen.

Seit einiger Zeit ist mein Mann, Clemens Kremer, ausgebildeter Märchenerzähler. An den Kursen, die er besuchte, konnte ich zum Teil teilnehmen.

Zusammen bewegen wir oft die Märchen, die er erzählt, und lassen uns berühren.

Hier sind nun einige Gedichte, die sich auf ein Märchen beziehen. Das sind keine Interpretationen mit Allgemeingültigkeit, sondern persönliche Erlebnisse und zeigen, wie mit Märchen auch umgegangen werden kann.

 

Schneewittchens Stiefmutter

27.9.13

Die Frage

Die Frage
ist ja:

Warum hat sie den
Spiegel
nicht zertrümmert?

Nicht mehr in den
Spiegel
seiner Augen geschaut?

Und ist nicht
einfach alt
geworden?

Und weise
in sich ruhend,
in ihrem eignen „Haus“?

Warum nicht
die große Mutter?
Unabhängig!

Vom Spiegel seiner
Augen
getrennt.

 

7.2.2012   Kein Märchen …

Die unwürdige Greisin (nach Brecht)

Alleinsein
Beisammensein
frei, zu tun was wir möchten
in dem Tempo, das wir können
Versöhnt sein.
Endlich zu leben beginnen
Gerne will ich so unwürdig sein!

 

 

20.4.2011

Ein Ring von meinem Herzen

Mein Herz hat einen Reifen –
ein Reifen um mein Herz
bereitet Druck und Schmerz –
Wie kann ich ihn begreifen?

 

 

9.2.2014

Bei Frau Holle

Ach, könnt ich bei Frau Holle bleiben!
Die mütterlich mich birgt und nährt …
In ihren Augen bin ich Goldes Wert.

Um mich herum ist´s freundlich, schön …
Ich erstarke, fange an zu schreiben,
Und beginne, Vieles zu verstehn.

Ach, müsst ich nicht zurück zur Pechmarie!
Zu Neid, Missgunst und Streit
Stiefmütterlicher Ungerechtigkeit!
Ich sehne mich nach Schutz in Holles Haus…
Ich wäre glücklich wie noch nie
Und meine Seele ruht sich aus.

 

 

21.12.2014

König

Ich frage mich:
Bin ich (noch) Königin in meinem Land?
Und wenn nicht:
Wer nahm mir das Zepter aus der Hand?
Und muss es mir wieder geben?

Ich frage mich:
Wo ist mein Königsschloss?
Außen und Innen:
Wer baut und gewährt mir diesen Schutz?
Wie kann ich Raum gewinnen?

Ist der König von einem Diktator abgesetzt?
Wer ist dieser „starke Mann“
in und über mir?
Verleidet mir mein Leben
Jetzt und Hier.

 

 

Oktober 15

Rotkäppchen

Das Rotkäppchen
möcht ich nun wirklich nicht sein!
Muss allein
durch den dunklen Wald
zur Großmutter
mit Kuchen und Wein.

Rot leuchtet der Wein,
rot leuchtet das Käppchen-
das Mädchen , noch klein,
ist ein köstliches Häppchen.

Der Wald dunkel, schwarz,
Bäume duften nach Harz –
Augen, die sie nicht sieht …
wenn nur nichts geschieht..

Und plötzlich steht der Wolf vor ihr,
und sie fürchtet sich nicht,
weil er so freundlich zu ihr spricht.
Weil die Blumen so schön blühn –
hoch über den Bäumen singende Wildgänse ziehn.

Sie fasst sich ein Herz,
verlässt alle Angst
schaut nur jetzt und hier:
es blüht so bunt.

Ich schau nur auf die Blumen
und pflück einen Strauss
für die kranke Oma in ihrem Haus,
zu dem ich jetzt gehe.

Doch wehe!
Die schönsten Blumen blühn nicht auf dem Weg.
Ich verlasse ihn, verliere mich im Wald,
und plötzlich ist es finster, kalt.

 

1.11.13

Rumpelstilzchen

Wer auch immer mir sagt
Ich solle Stroh zu Gold spinnen

Dem sage ich:
NEIN

Was auch immer mir scheinbar droht:
Das kann nicht sein!

Ich zeige ihm mein
wahres, schwaches Gesicht:
Mensch, Mann, schau doch hin!
Das ist Stroh:

Keiner kann das
Auch ich
Ich kann es nicht!

 

Zu Unmöglichem

Nein

sagen.

Und dafür sorgen, dass es gehört wird!
Kein falsches Gottvertrauen mehr!
Keine voreiligen, falschen Versprechungen,
denen ich nicht hinterherkommen kann
ohne den Verlust des Lebendigsten in mir

DER
Stress
hört auf.

 

 

März 2018

Zum Märchen: Die drei Federn

Ich will die Schätze heben
aus meiner dunklen Gruft
Ich möchte leben, streben
nach Licht und Luft

Gib mir
Mut, hinabzusteigen
in meine Enge,
zu lauschen auf Reime und Gesänge
in mir.

Keine Furcht
vor der dicken Kröte –
sie wird mich beschenken,
sich verwandeln,
mein Leben ganz neu lenken –

Hilf mir, die Schätze heben
aus meiner dunklen Gruft …
Hilf mir leben, streben
nach Licht und Luft

 

 

 

22.6.19

Bremer Stadtmusikanten

Warum sich nicht den Traum erfüllen?
Die Kindheit, Jugend nach entfalten?
Das Leben ist nicht aufzuhalten.

Warum in der Leistungsmühle stecken?
Warum nicht unsre Lebensgeister wecken?
Andre Werte setzen, uns verbinden und vernetzen.

Als Aussortierte können wir
anders leben, jetzt und hier.
Das, was wir finden, reicht uns schon –
erfüllt unterwegs sein ist unser Lohn.

 

Zu Fundevogel

Hand in Hand
sind wir durch die Hölle gegangen
da hat der Himmel angefangen

 

 

Juli 2015

Zauberschlaf

Unterm Apfelbaum

Verträumte Zeit
Zauberschlafzeit
Zwischen Rosen und meterhohen Sträuchern
Am Kräuterbeet
In meiner geborgenen Wohnung
Sinnlose Zeit?

Zauberschlaf …
Die Jugend vergeht nicht
Selbst nach hundert Jahren
Ist sie erneut
Erhalten.

Kräfte sammeln
Auftanken
Heiler werden
Gute Gedanken hegen
Die Frucht reifen lassen.