Im Stadtwald
Wenn in den Ferien der Kindergarten und Hort geschlossen war oder wenn ich besonders bettelte, nahm Mama mich mit in den Stadtwald zur Arbeit. Sie hatte dort bei Familie Hötten, bei denen sie in Jugendjahren Hausangestellte gewesen war, eine Putzstelle. Dann wurde sie für Frau Höttens Eltern, die Gründers, gebraucht, die im eigenen Haus nebenan wohnten. Zusätzlich putzte sie zwei Mal die Woche anschließend für Frau Feller, eine schon betagte Lehrerin, die unter dem Dach in Gründers Haus eine Einlieger Wohnung hatte.
Es war, als führen wir in das Paradies. Welche Straßenbahn nahmen wir, war es nicht die 4 ? Wir warteten am vollen Porscheplatz an der Haltestelle. Finstere Menschen standen müde dort am frühen Morgen. Zu Beginn unserer Fahrten gab es in den Straßenbahnen noch die Schaffnerinnen, die am hinteren Ende des Wagons wie auf einer Kanzel saßen und uns eine Fahrkarte drehten. Später kam eine uniformierte Schaffnerin durch die Reihen und knipste die Karten ab, die ich dann zum Spielen bekam. Also Straßenbahnschaffnerin wäre vielleicht auch nicht so schlecht als Beruf …?!
Irgendwo her kam das Liedchen von der Schaffnerin immer wieder mal zu mir: “Süße, kleine Schaffnerin, kling, kling, kling! Sag, wo fährt dein Wagen hin? Kling, kling, kling!“
Wenn wir einen Platz gefunden hatten durfte ich, wenn es eben ging, am Fenster sitzen. Ich war ein unterhaltsames Kind, weil ich gerne viel sprach. Bei uns zu Hause wurde, wie gesagt, viel erzählt, ob ich´s hören wollte oder nicht und auch mir lag auf der Zunge, was mir in den Sinn kam, zumindest, solange ich noch kleiner war. Und sehr viel später dann wieder. Ich erzählte schon am frühen Morgen laut und froh Kindergartengeschichten und zählte laut auf, was ich draußen und in der Straßenbahn sah. Auch Witze kannte ich einige, manche wohl eher für Erwachsene. Die Menschen rundherum erwachten und die meisten lachten. Außerdem meinte ich, vorsingen zu müssen, was mir so in den Sinn kam und es fiel mir eigentlich zu jeder Situation ein Liedchen ein. Meiner Mutter war es etwas peinlich, wenn Leute plötzlich so aufmerksam wurden. Einmal wurden wir von einer „feinen“ Frau angesprochen: „Bitte sorgen Sie dafür, dass das Kind so weiter spricht und verwenden Sie niemals die verniedlichende Kindersprache! Das ist so schön, die Kleine anzuhören!“ Wie stolz Mama da war! Ja, ja, aus Lenilein konnte noch was werden, eines Tages. Vielleicht …
Hier lernte ich auch lesen. Im Märchenbuch hatte es angefangen, bei den Überschriften neben den Bildern und hier wurde es gefestigt: Jede Reklame, jede Ladenüberschrift wurde entziffert und laut verkündigt.
Zwischendurch ertönte irgendwoher gedämpft, wo wir gerade anhielten: Hauptbahnhof, Rüttenscheiderstraße, Schillerwiese, Gruga, Uhlenkrug … bis wir schließlich zur Krönung am Stadtwaldplatz ankamen und ausstiegen. Mama atmete tief durch, sie atmete die Freiheit und Schönheit, wie mir schien und ich war glücklich, wie sie mich nun da mit hineinnahm. Es war noch ein klein wenig Stadt da, wie bei uns, mit vielen Straßenbahnen und Verkehr, aber alles schon sauberer und neuer. Wir gingen ein Stückchen durch ein Wohnviertel, vorbei an einer modernen Kirche und hinein in den „Kellermanns Busch“, ein Wäldchen, dass wir durchquerten. Hier begann das Paradies. Es wurde plötzlich leise und wir hörten die Vögel singen, dazu dieser Baumduft! Unbeschreiblich schön und würzig, je nach Jahreszeit unterschiedlich, und so rein! Auch das war also Essener Duft. Mir kam es vor, als fielen Lasten ab von meiner Mama, also plumpste es auch aus meinem Herzen und ich fühlte mich leicht und frei. Wir fassten uns an der Hand und oft begannen wir zusammen zu singen, wobei Mama mit tiefer Altstimme eine zweite Stimme improvisierte. Der Morgen hatte besondere Töne und Gerüche, wenn alles noch feucht war vom Tau.
Wir kamen auf die Waldstraße Sundernholz, wo tatsächlich auch Menschen wohnen durften und von da auf den Riesweg, unser Ziel. Das Haus der Höttens und Gründers lag direkt am Eingang in den Schellenberger Wald. Der Duft nach Wald und Blumen hörte nicht auf. Vor den Häusern parkten „dicke“ Autos. So war ich da, wo doch nur alle Menschen glücklich sein konnten!
Dafür sahen sie dann aber doch ziemlich normal aus und fanden das wohl gar nichts Besonderes. Mama wurde dort nicht Frau Kremer genannt, sondern nur Maria, aber dann doch mit „Sie“ angesprochen.
Als ich noch sehr klein war, putzte ich sozusagen an Mamas Rockzipfel mit und begleitete sie auf Schritt und Tritt, bis Frau Gründer mit griesgrämigem Gesicht kleine Aufgaben für mich fand, so dass ich kurze Zeiten die Mama loslassen musste und irgendwo allein war. Ich kämmte die Teppichfransen des dicken Perserteppich im Wohnzimmer und im Esszimmer mit einem großen Metallkamm, zum Beispiel. Die Oma Gründer machte eine große Kanne voll Himbeersirup mit Wasser was es bei uns nie gab. Mama kochte auch für die Gründers Mittagessen. Oftmals musste sie dafür Rezepte von Oma Gründer übernehmen, die nicht so gut rochen für mich … Zum Beispiel sehr riesige und ledrige dicke Bohnen mit einer dicken, dunklen Einbrenne. Wir aßen zusammen Mittag im Esszimmer. Der gemütliche und sehr runde Opa Gründer mit spiegelnder Glatze und einer großen Erdbeernase, die ich sonst nur von Onkel Willis Vater im Bergarbeiterviertel von Gladbeck kannte, steckte sich eine riesige weiße Servierte in den Hemdkragen, die bis auf den Tisch fiel und unter seinem Teller verschwand. Er war aber auch schick angezogen! Mit Anzughose und Weste saß er da, und eine große goldene Uhrkette baumelte herum. Er sprach sehr nett zu uns, ich hatte trotzdem gehörigen Respekt und war hier auf einmal sehr schüchtern und einsilbig. Wir waren eindeutig Untergebene, zu denen man zwar nett war, die aber besser doch nicht zu viele eigene Meinungen äußerten. Zu Hause ließ sich Mama darüber aus, wie man doch besser leichteres und gesünderes Essen machen sollte für den schnaufenden Opa Gründer und auch für „sie“, aber davon wollte die Dame dann doch nichts hören, obwohl Mama bei ihrer Tochter, der Frau Hötten, in Jugendjahren schon einen anderen Umgang mit Ernährung gelernt hatte. Opa Gründer fuhr trotz hohen Alters und obwohl er sich kaum noch umschauen konnte jeden Vormittag mit seinem eigenen Mercedes in die Firma, die ja nun Herrn Hötten gehörte und sich auch gehörig verändert hatte, wie ich von Mama hörte. Sie stellten nun Schrauben her. Einmal hatten sie wohl andere Dinge aus Metall gemacht. Aber die Firma ging ganz gut, alle waren reich, das konnte man ja sehen.
Dann traute ich mich auch mal alleine auf die überdachte Veranda. Von dort aus sah man in den Garten, direkt dahinter lag der Wald. Aus dem Wald traten oft Rehe in den Garten, spielten am Rhododendron Rondell, Hasen gab es und zahme Eichhörnchen, die fast bis zur Veranda kamen! Wenn das nicht paradiesisch war! Ich konnte es kaum fassen. Dann traute ich mich hinaus in den Garten, über eine Treppe von der Veranda aus. Im Inneren des Rhododendron Rondells war es wie in einem Haus und ich spielte und flüsterte vor mich hin. Der Wald rauschte dazu.
Nebenan, durch denselben Hof und Garten verbunden, wohnten Höttens, mit Oma und vier Kindern. Das war hoch spannend, denn sie durften, wenn sie da waren, mit mir spielen. Am nächsten war mir Karla, nur ein Jahr älter als ich. Wir wurden eine Art Freundinnen, wenn auch Karla wohl eine Prinzessin war und ich eher wohl doch nicht … Aber wir verstanden uns gut, unsere Phantasie spiele waren schön, draußen und drinnen auch zuweilen. Ich sah nun, wo Mama damals so glücklich war! Auch waren diese Höttens Kinder ja fast! auch ihre Kinder gewesen, sie hatte sie intensiv betreut in ihrer Zeit dort. Also, die kannten meine Mama auch sehr gut, das war schon ein wenig merkwürdig, so nah und gleichzeitig so weit entfernt voneinander waren wir .
Ich ging hinaus, aus der Gründers Haustür und wartete auf Karla, turnte auf einem Geländer herum. Auch Karla bestand darauf, mit mir zu spielen, wenn ich da war, und erpresste so manche Ausnahme, zum Beispiel vom Mittagsschlaf … pff! Mittagsschlaf … auch so was für feine Leute. Manchmal stand ich in der großen Diele der Wohnung und lauschte auf die Stille des Mittagsschlafes und auf ein Lebenszeichen von Karla, die dann leise aus dem Zimmer schlich und mich nach draußen zog. Mama putzte bis um Zwei, zuletzt kam immer das Bad an die Reihe und zu allerletzt wurde die große Badewanne ausgescheuert, in der ich so gerne auch nur ein einziges Mal gebadet hätte. Dann fuhr Herr Hötten, der auch zu Hause gegessen und „Mittagsschlaf“ gemacht hatte, zurück in die Firma und nahm uns oftmals im Mercedes mit nach Essen zurück.
Karla war ein feines, zartes Mädchen mit dunklen Augen, sie kam mir vor wie eins der Rehe vom Waldrand.
Dann waren da Brüder! Und gleich drei! Wie froh wäre ich über einen gewesen! Sie hatte es gut. Ihr zunächst war Reinhard, der „Reini“. Auch er hatte so schöne, edle dunkle Augen, ich fand ihn sehr nett und lieb. Dann kam Arnold, der etwas spitzer aussah und auch forscher auftrat, aber ebenfalls mit „edlen“ Manieren. Der Älteste war Uli, der Klavier spielte und sehr sensibel war. Mit Reini und Karla spielte ich am meisten. Sie hatten Rollschuhe, mit denen sie die Garagenauffahrt hinuntersausten und Stelzen (Nie vorher und nachher gesehen, außer im Zirkus), mit denen sie artistisch im Hof herum stelzten und mich aufforderten, es auch zu versuchen. Da merkte ich, dass ich aus einer anderen Welt kam. Das Stelzenlaufen wollte mir nicht gelingen, so sehr ich es versuchte. Dafür war es wahrscheinlich auch zu selten. Alle hatten schöne Kinderzimmer im Haus, das ich ebenso wie Mama bewunderte. Ich konnte mir vorstellen, wie traurig sie gewesen war, als sie, weil ich auf die Welt gekommen war, dort nicht mehr wohnen durfte. Immerhin konnte sie jetzt ab und zu dort sein und ich konnte schnuppern, was es bedeutet hatte für sie. Wie schön wäre es, ich könnte auch so wohnen!
Wir fuhren also mittags im nach Leder duftenden, edlen Mercedes zurück in die dunkle Stadt, Engelbertstraße 51, den schwarzen Hof, die enge Wohnung mit merkwürdigen, auch bösen Erwachsenen, wo man einander total ausgeliefert war.
Ein einziges Mal wollte Karla mitfahren und den Nachmittag über bei mir zu Besuch sein, bis ihr Vater sie abends wieder mit nach Hause nehmen würde. Sie war so entsetzt und bedrückt und fragte nach bei ihrem Vater, warum Petra so wohnt, dass sie mir leid tat und die Kluft der zwei Welten vergrößerte sich durch ihr Entsetzen für mich noch mehr.
Sie konnte es einfach nicht begreifen, warum ich so wohnen musste und sie so viel besser, obwohl wir uns doch nah und ähnlich waren und „die Maria“ so lieb war…
Da war ich also zerrissen, die Welt war zerrissen und gespalten, es gab zwei Welten für Menschen, das lernte ich früh und es kam mir sehr nah.
Ich aber wusste aus vielen Erzählungen, dass Maria damals, als sie schwanger wurde, sehr gerne lieber bei Höttens geblieben wäre als zu heiraten. Ihr wurde aber nur angeboten, mich in einem nahegelegenen Kinderheim unterzubringen, wenn ich geboren wäre. Dann hätte sie bei Höttens bleiben können und mich von dort aus immer besuchen können. Davor hat Mama mich aber bewahrt, ins Kinderheim sollte ich auf keinen Fall, da war wohl alles besser! Also heiratete sie Papa und mit ihm seine Mutter …
Also fast! Hätte ich dort mit Mama gewohnt … Jedenfalls haben sie darüber nachgedacht. Das war an diesem Ort auch sehr merkwürdig für mich … Die Höttens Kinder wären dann fast! So was wie Geschwister gewesen. Na Ja. Dafür hätten wir dann Papa nicht gehabt. Auf die Oma hätte ich schon auch verzichten können, wenn dafür der Stadtwald da gewesen wäre …
Zum Glück stand uns der Stadtwald auch ohne diese Familie zur Verfügung. Wann immer es ging am Wochenende packten wir eine Tasche und fuhren meistens vom Hauptbahnhof aus mit dem Zug, lange noch mit der Dampfeisenbahn, an den Stadtrand, sehr oft in den Stadtwald. Ich hatte Angst vor der lauten Dampflok, dem Stampfen und Schnaufen und dem Ruß, den auch sie uns hinterließ. Im Stadtwald stiegen wir aus. Der Zug verschwand dann fauchend und laut pfeifend in einem Tunnel, der den Stadtwald mit Essen Hügel verband, dem Kruppschen Bahnhof, direkt vor dem Tor der Villa Krupp, die man besichtigen konnte.
Wir aber ließen den Zug fahren, wir gingen vom Bahnhof aus direkt in den Wald, oder manchmal auch die wie Edelstein glitzernde Treppe hoch zum Stadtwaldplatz.
Direkt in den Wald! Manchmal mit Picknick Sachen, Decke und Federballspiel zur kleinen Waldwiese, was für mich himmlisch schön war! Im Gras liegen und in die Bäume schauen, ein Stück blauen Himmel sehen … Alle sind entspannt, ohne dass ich was dafür tun muss …
Sehr oft wanderten wir aber los durch den Wald, große Strecken, bis zum Baldeneysee, an der Isenburg vorüber, eine alte Burgruine, in der ich kurz Burgfräulein spielte und mir vorstellte, wie die Feinde da angetrabt kamen. Auch beim Wandern war die Stimmung eher gelöst. Wir wanderten oft auch durch den Schellenberger Wald und schauten die Hötten Häuser wehmütig von hinten an, als es dann später die Putzstelle nicht mehr gab. Ob Mama wohl mal schellen könnte? Sie traute sich nicht. Was sollten die Höttens mit einer Bediensteten anfangen? Als sie es später doch mal tat, war Frau Hötten so froh und glücklich über ihren Besuch und bat sie sehr, wiederzukommen. Sie fühlte sich einsam … Das war eine merkwürdige Erfahrung.
Jedenfalls sprang und hüpfte ich durch den Wald und machte den Weg der Erwachsenen mindestens zweimal. Mein Herz war von Freude geschwellt. Es war dort immer schön. Frühling, Sommer mit rauschenden Bäumen und Wespen im Kuchen und im Apfelsaft, wenn wir denn einmal einkehrten, mit Brombeeren und Himbeeren, die zum Leidwesen meines Vaters von Mama und mir gierig gesammelt wurden, Herbst, mit unendlich vielen Bucheckern, die man auch essen konnte und die ich sammelte, die unter den Schuhen knirschten, bunten Blättern. Selbst im Regen war es schön und roch wunderbar nach Laub. Papa war wie verwandelt. Er sog die Schönheit ein und sang sogar mit uns.
Schlimm wurde es nur, wenn ich plötzlich nicht mehr konnte … Da meine Beine kürzer waren und ich die Strecke doppelt machte, kam das leider immer wieder vor. Hauptsächlich hatte ich Durst. Warum nahm man damals in Gottes Namen nichts zu trinken mit, wenn man mit Kindern unterwegs war? Die Zunge klebte am Gaumen und ich konnte kaum noch schlucken, ich bekam Kopfschmerzen und wurde elend schlapp. Ich knatschte. Das ging gar nicht! Schon beim ersten flehenden Ton von mir: „Durst!“ Versteinerte Papa. Ich sollte nicht knatschen! Damit verdarb ich ihm die seltene, kostbare Freizeit, sein einziges Vergnügen, das, wofür es sich noch zu leben lohnte! Manchmal trug er mich ein Stück auf den Schultern, irgendwann waren die Beine dafür zu lang, der Durst aber war immer gleich schlimm. Ich wurde vertröstet auf die nächste Schenke im Wald, wo man sowieso Kaffee und Kuchen geplant hatte. Das war schlimm. Ich konnte kaum noch laufen und konnte den jammernden Ton nicht abstellen vor Durst. Ich war eine „alte Knatsche“, verachtet, nichts Wert, nicht zu gebrauchen, wenn ich nicht fröhlich sprang und sang und erzählte. Sie erfanden die sogenannte „Kinderzwinge“ für mich, eine Astgabel, die man überall fand und die ich wie eine Wünschelrute vor mir her schob. So wurde das Gehen etwas leichter.
Nach der süßen Limo, die endlich doch kam, ging es wieder besser weiter. Von irgendwo aus, wo wir gelandet waren, Essen Hügel, Werden oder sonst wo fuhren wir mit dem Zug oder Bus wieder nach Hause, zum Hauptbahnhof. Nun noch fünfzehn Minuten nach Hause laufen. Das war unmenschlich für mich und oftmals wurde ich getragen, aber schon bald war ich dazu zu stolz, es war mir unangenehm und ich quälte mich nach Hause. Nun tat ich sogar Papa leid.
Alles in allem war es die Rettung, an den Stadtrand zu können, oder in die große Gruga, den immensen Essener Garten. Dort war es allerdings vollgestopft mit Menschen, wie auf der Kettwiger Einkaufsstraße in der Stadtmitte.
Ein einziges Mal in all den Jahren konnten wir meine Oma dazu überreden, mitzukommen. Bis dahin hatte sie sich immer verweigert, und gleichzeitig nach außen verbreitet, dass sie nirgendwohin mit dürfe und unwillkommen sei. Wie auch immer, dieses eine Mal war es so schön zusammen. Sie genoss es und hatte gute Laune und ich feierte innerlich glücklich meinen Erfolg, denn schließlich hatte sie auf mein Drängen hin nachgegeben. Ich hatte für einen Nachmittag etwas zusammengebracht, dass immerzu zerfiel, obwohl es doch in meinen Augen zusammengehörte.
Sehr selten ging ich mit Mama ins Baldeney Bad. Ein Freibad im Baldeney See. Der Weg dorthin führte am Wasser entlang, die Seepromenade, die ebenfalls voll war, wie in der Einkaufsstraße. Hier musste man gut gekleidet sein, denn alle Welt guckte einen an, lernte ich von Mama. Sie war stets hübsch gemacht und auch ich hatte weiße Kniestrümpfe und sogar mal weiße Sonntagsschuhe an, die von der Kommunion noch übrig waren. Außerdem bekam ich einen hellen Trenchcoat und einen roten Lederhut, oder ich trug ein helles Kopftuch mit roten Rosen darauf. Hüte waren der letzte Schrei, auch Mama trug dann solch eine „Melone“, die ich eigentlich doof fand. So promenierten wir am Baldeneysee, oft auch ohne ins Freibad zu gehen.
Im Bad war das Wasser eisig kalt und für mich nicht verlockend. Aber die Wiese! Die Bäume, in die ich schaute und der Himmel! Ein beglückendes Freiheitsgefühl.
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